Fünf Fragen an: Reinhold Daberto zur neuen Bühnentechnik

Herr Daberto, seit Ihrem Projekteinstieg 2008 durchlief das Sanierungsprojekt Höhen und Tiefen. Was waren für Sie persönlich bisher die entscheidenden Momente?
Fast 10 Jahre unserer Bürotätigkeit nimmt die Aufgabe, das Ensemble der Bühnen Köln am Offenbachplatz nach über 60 Betriebsjahren wieder fit für eine Zukunft in einer geänderten Gesellschaft zu machen, mittlerweile ein. Nach einem Architekturwettbewerb mit einem städtebaulich hoch überzeugenden Ergebnis stellte der Projektstop in 2010 sicher den ersten ernüchternden Moment dar. Zu weit klaffte die Schere zwischen dem Raum- und Funktionsprogramm und den Budgetvorgaben auseinander. Das Projekt stand knapp vor dem Aus. Und dies nach zuvor verfolgten Ansätzen, die ja auch das Verlassen des Standortes Offenbachplatz und einen Neubau auf der anderen Rheinseite beinhalteten. Wie viele Varianten bereits im Vorfeld und in den Frühphasen der Planung untersucht wurden, ist an der Tatsache ablesbar, dass die jetzige Sanierung einer sogenannten Variante 6 folgt. Umso erlösender, dass in 2010 der damals installierte Runde Tisch zwischen Politik und Bürgervertretern das Projekt neu aufgleiste.
Danach war das Projekt eigentlich gut in Fahrt gekommen, drohende Kostensteigerungen konnten eigentlich vernünftig durch Einsparungen, welche die übergeordneten Projektziele jedoch nicht infrage stellten, im damaligen breiten Konsens zwischen Bauherrenvertretern und Planern aufgefangen werden.
Das muss man so vorausschicken, wenn Sie nach den entscheidenden Momenten bei diesem Kölner Projekt fragen, denn der nachhaltigste und schmerzhafteste Moment war die Tatsache, dass der angestrebte Eröffnungstermin 2015 so kurz vor dem Erreichen der Ziellinie aufgegeben werden musste. Um diese Zeit war ich persönlich froh, den betroffenen, an den Bühnen künstlerisch Tätigen, Birgit Meyer und Stefan Bachmann, nicht öfter unter die Augen treten zu müssen. Was für einen Respekt nötigte es ab, als wir sehen mussten, wie sich die Bühnen angesichts der unabwendbaren Situation schüttelten, den Staub abklopften und in gänzlich andere Richtung gingen, um Köln weiter Theater anbieten zu können. Die Zeiten hinterließen bei den meisten Projektbeteiligten sicher ein ähnliches Trauma wie ein schwerer Verkehrsunfall. So die Momente der Vergangenheit. Der derzeit prägende Moment ist noch im Gange, er bedeutet, den Koma-Patienten wieder aufzuwecken und aus der Intensivstation zu bekommen.

Bühne Opernhaus: Die Obermaschinerie in Aktion
Foto: Jann Höfer

Wie hat sich im Laufe der Jahre Ihre Beziehung zu dem Projekt verändert?
Das Kölner Projekt war für unser Büro sicherlich wie eine große prägende Beziehung. In unserem Büro haben wir, abgeklärt wie wir nun mal sind, einen „Köln-Altar“ errichtet. Unter den Zuschauerraumfotos Oper und Schauspiel von Candida Höfer standen lange Zeit neben einem kleinen Modell des Kölner Domes zwei nie getrunkene Flaschen Gaffel. Sie sehen schon, welchen Voudou-Zauber wir veranstalteten, um dem Projekt den ersehnten Erfolg zu verschaffen.
2015 war für mich persönlich wie der Verlust einer Liebe. Um weiterleben zu können, musste man sich entlieben und eine realistische Sicht auf das nicht mehr Umkehrbare einnehmen. Im Grunde tun wir das noch immer. Die Beziehungsfäden mit den anderen Beteiligten, alten und neuen, werden gerade wieder geknüpft. Wir sehnen den Moment, an dem wir die Häuser zurückgeben können, herbei, Langzeitsehnsucht ist wie Fernweh.
Wir alle bei uns im Büro, die am Projekt Köln beteiligt sind, stehen in den Startlöchern und warten auf den Startschuss, um wieder richtig loszulegen. Davor scheint jedoch das Stadion nochmals durchgefegt werden zu müssen.

Was war in Ihren Augen technisch die größte Herausforderung?
Herausforderungen gab es viele bei diesem Projekt. Technische Herausforderungen machen dann glücklich und stolz, wenn sie gemeistert werden. Dass es gelang, in die von Wilhelm Riphahn hinterlassene 16,4 m breite Podiengrube des Opernhauses glatt 16,0 m breite Podien zu integrieren, gehört dazu. Andere Herausforderungen waren die beide Häuser versorgende Hydraulikzentrale oder die integrierten Podien im Schauspielhaus. Auch die Anbindung der tief liegenden Schauspielbühnen und die Schaffung von am Theater liegenden Dekorationslagern für das Schauspiel sind zwar technisch nicht herausfordernd, aber baulich aufwendig gewesen. Der Benefit dieser Maßnahme ist derzeit nicht augenscheinlich vorführbar und wird sich erst im Betrieb zeigen.

Worauf freuen Sie sich bei der neuen Bühnentechnik am meisten?
Wir haben schon von den ersten Momenten der Planung an versucht, mit Andreas Fischer und Sebastian Bolz von den Bühnen, den Horizont, an dem das Unmögliche beginnt, Stück für Stück hinauszuschieben. Ein paar Mal konnten wir die Tonnen Stahl, die die Bühnentechnik bilden, schon fahren sehen. Die Freude wird perfekt werden, das alles aus der Zuschauerperspektive zu erleben und festzustellen, dass die Kunst dort zu denken anfängt, wo wir meinen, einen Horizont geöffnet und damit neue Welten eröffnet zu haben. Die Bühnentechnik bringt es mit sich, dass man sie sehen kann, die beleuchtungs- und tontechnischen Einrichtungen werden sich erst im Betrieb mit ihren Möglichkeiten zeigen.

Bühne Opernhaus: Die Untermaschinerie in Aktion
Foto: Jann Höfer

Sie agieren weltweit als Architekt und Consultant in Sachen Theatertechnik. Wie ist die neue Bühnentechnik im Vergleich einzuschätzen?
Wenn ich vorher meinte, dass wir Horizonte verschieben wollen, so heißt das natürlich auch, dass Köln was Feines bekommen wird. Die Lösungen werden auf gleichem Niveau sein, wie in der eben wieder eröffneten Staatsoper Unter den Linden in Berlin. Wobei wir weiterbauen, denn manche Dinge, die jetzt realisiert werden, waren im baulichen Kern bereits von Riphahn und seinem Theatertechniker Walter Unruh angelegt, unter dem Kostendiktat in den Wiederaufbaujahren jedoch nicht finanzierbar gewesen. Insofern haben wir mehr Beiträge zur Evolution als zur Revolution geleistet.

 

Reinhold Daberto (65/Architekt) gründete vor mehr als 32 Jahren Theapro. Seitdem hat er in über 100 Projekten weltweit die Theaterarchitektur und die Bühnentechnik von Theatern, Konzerthallen und Veranstaltungszentren maßgeblich mitgeprägt. Daberto ist mit einer Biologin verheiratet und Vater von 3 Söhnen. Entspannung findet er bei Kochkursen beim von ihm hoch verehrten Meister der Einfachheit im Kochen, Hans Haas, seit 27 Jahren Chef des Münchner Sternerestaurants TANTRIS.